Das Memorial to Heroic Self-Sacrifice (deutsch Denkmal für heldenhafte Selbstaufopferung) ist eine Gedenkstätte in London, die an einfache Menschen erinnert, die bei dem Versuch starben, anderen Menschen das Leben zu retten. Sie befindet sich im Postman’s Park, wenige hundert Meter nördlich der St Paul’s Cathedral.

Geschichte des Denkmals

Vorgeschichte

Das Memorial to Heroic Self-Sacrifice geht auf den Maler und Bildhauer George Frederic Watts zurück. Er verfolgte schon ab den 1860er Jahren die Idee, ein Denkmal für gewöhnliche Menschen zu schaffen, die anderen Menschen das Leben gerettet (oder es zumindest versucht) und dabei ihr Leben geopfert hatten, die aber in Vergessenheit zu geraten drohten. Im August 1866 teilte Watts seinem Gönner Charles Rickards mit, er plane zu diesem Zweck die Errichtung einer Kolossalstatue aus Bronze im Hyde Park. Das Projekt scheiterte allerdings an der Finanzierung.

Anlässlich des Goldenen Thronjubiläums von Königin Victoria im Jahr 1887 schrieb Watts einen Leserbrief an die Times:

Watts schwebte nun eine Anlage ähnlich einem Camposanto vor – eine Art Kreuzgang, auf dessen Marmorwänden die Namen der Verstorbenen eingraviert werden sollten. Auch mit diesem Vorschlag konnte er sich jedoch nicht durchsetzen.

Watts und seine zweite Frau Mary verfolgten ihre Pläne für die Errichtung eines Denkmals für Lebensretter mit so viel Leidenschaft, dass sie ihr Testament änderten und den größten Teil ihres Vermögens für diesen Zweck verwenden wollten. Sie zogen sogar den Verkauf ihrer Londoner Immobilie in Erwägung. Watts glaubte dabei, sein Denkmal in London würde nur das erste einer ganzen Reihe ähnlicher Denkmäler im ganzen Land sein.

1898 bis 2009

1898 schlug ein Freund von Watts dem Pfarrer von St Botolph’s Aldersgate vor, das Denkmal in einfacherer und kleinerer Form in der neuesten Erweiterung des Postman’s Park zu errichten. Watts erklärte sich einverstanden.

Nach Plänen des Architekten Ernest George wurde an der Außenwand eines Gebäudes im nordwestlichen Teil des Parks ein 15 m langer und 2,7 m hoher, offener hölzerner Anbau mit Ziegeldach errichtet. Der Längsbalken unterhalb der Dachkante trägt die Inschrift „IN COMMEMORATION OF HEROIC SELF-SACRIFICE“. Entlang der gesamten Wand wurde außerdem eine hölzerne Sitzbank angebracht. Die gesamten Baukosten (ohne Gedenktafeln) betrugen 402 Pfund (nach anderen Quellen 700 Pfund).

Anstatt die Namen in Marmorplatten zu meißeln, sollten aus Kostengründen nun handbemalte und glasierte Tafeln aus Keramik zum Einsatz kommen. Für die Gestaltung der ersten Tafeln wurde der Künstler William De Morgan engagiert, der kurz zuvor schon mit George Frederick Watts Ehefrau Mary Seton Watts zusammengearbeitet hatte.

Links neben der eigentlichen Gedenkwand befindet sich eine Informationstafel, die ebenfalls aus Keramikfliesen zusammengesetzt und im gleichen Stil bemalt ist wie die Gedenktafeln von William De Morgan. Neben einem kurzen Text zur Entstehungsgeschichte des Denkmals sind dort auch zwei Zitate zu lesen, nämlich einmal ein Satz aus Watts’ Leserbrief an die Times:

und zum anderen ein Vers aus dem Johannesevangelium:

Insgesamt bot die terrakottafarben geflieste Wand in sechs flachen Nischen Platz für 120 Tafeln in fünf Reihen übereinander (je vier Tafeln pro Reihe in jeder Nische). Zum Zeitpunkt der Eröffnung am 30. Juli 1900 waren jedoch erst vier Tafeln angebracht.

Im Mai 1902 wurden die nächsten 9 Gedenktafeln enthüllt. Nach dem Tod von George Frederic Watts am 1. Juli 1904 führte seine Witwe Mary das Projekt weiter. 1905 wurde die mittlere (dritte) Reihe mit weiteren elf Tafeln komplettiert. Gleichzeitig wurde in der Mitte der Wand ein kleines hölzernes Halbrelief angebracht, das von Thomas H. Wren gestaltet worden war und das den Ideengeber George Frederick Watts zeigt.

1908 wurden weitere 24 Tafeln angebracht und damit die vierte Reihe auf einen Schlag gefüllt. Da sich William De Morgan 1906 aus der Keramikkunst zurückgezogen hatte, um sich der Schriftstellerei zu widmen, wurden die neuen Fliesen von Royal Doulton in Lambeth hergestellt.

1919 wurde eine einzelne Tafel angebracht (für den Polizisten Alfred Smith, der 1917 bei einem deutschen Luftangriff umgekommen war).

1927 wandte sich der Gemeindeschreiber von St Botolph’s an Watts’ Witwe Mary und schlug vor, mit der Installation neuer Tafeln fortzufahren. Eine Spendensammlung im Mai 1929 erbrachte statt der erhofften 500 Pfund allerdings nur 250 Pfund. Davon wurden 30 Pfund für die Renovierung des schon etwas heruntergekommenen Denkmals aufgewendet, so dass noch 220 Pfund für neue Tafeln zur Verfügung standen. Zunächst sollten die zu ehrenden Personen aus den von Watts gesammelten Namen ausgewählt werden, doch diese Fälle erschienen dem zuständigen Komitee als „zu viktorianisch“. Daher wurden die British Medical Association, die Metropolitan Police und (in Anbetracht des Namens des Parks) die Post gebeten, jeweils aus ihren Reihen geeignete Kandidaten vorzuschlagen. Nur die Polizei antwortete und nominierte drei umgekommene Polizisten (nach anderen Quellen hatte die Polizei durch eine Spendensammlung auch die Kosten für die drei Tafeln aufgebracht). Die drei neuen Gedenktafeln wurden im Oktober 1930 in einer feierlichen Zeremonie enthüllt. Außerdem wurde eine von De Morgan fehlerhaft beschriftete Tafel ersetzt. Da sich die Fliesen von Royal Doulton jedoch stilistisch deutlich von denen De Morgans unterschieden, wurde die Ersatztafel nicht mehr in der dritten Reihe platziert, sondern zusammen mit den drei anderen in der zweiten Reihe. Die Kosten für eine Tafel betrugen zu diesem Zeitpunkt neun Pfund.

Die Lücke in der dritten Reihe wurde im Jahr 1931 mit einer weiteren Tafel geschlossen. Um das einheitliche Erscheinungsbild zu wahren, engagierte Mary für diese eine Tafel den Künstler Fred Passenger, der schon früher für De Morgan gearbeitet hatte.

Nach Marys Tod im Jahr 1938 wurde das Projekt zunächst nicht weiter verfolgt und das Denkmal blieb unvollendet. Die jüngste Ergänzung stammt von 2009 und erinnert an den 30-jährigen Drucker Leigh Pitt, der einen neunjährigen Jungen vor dem Ertrinken gerettet hatte und dabei selbst umgekommen war.

Diskussion um weitere Tafeln

Watts selbst hatte noch zu seinen Lebzeiten 120 Fälle von Selbstaufopferung ausgewählt, mit denen das Denkmal komplett gefüllt werden sollte. Das Hinzufügen von Personen aus neuerer Zeit macht also streng genommen die Möglichkeit zunichte, das Denkmal doch noch in der ursprünglich von Watts angedachten Form vollenden zu können.

Nach der Enthüllung der Tafel für Leigh Pitt ging bei der Corporation of London und der Diözese London ein weiterer Vorschlag ein. Im Juli 2010 wurde ein Komitee gegründet, in dem alle involvierten Interessensgruppen vertreten waren. Nach ausgiebigen Diskussionen entschied das Komitee, es sei „nicht länger angemessen, weitere Gedenktafeln zur Wand hinzuzufügen“. Als Begründung wurden folgende Punkte genannt:

  • Die Gedenkstätte war ein persönliches Projekt von G. F. Watts und sein persönlicher Einfluss ist für sie von zentraler Bedeutung.
  • Die Gedenkstätte wurde zu einer Zeit konzipiert, als es noch kaum Orden und Ehrenzeichen gab, mit denen Zivilisten für solche tapferen Taten (auch postum) geehrt werden konnten. Durch die Einführung solcher Auszeichnungen ist einer der Gründe für die Errichtung des Denkmals entfallen.
  • Die Sprache des Viktorianischen Zeitalters auf den Tafeln und deren künstlerische Gestaltung tragen heute wesentlich zu dem besonderen Reiz des Denkmals bei. Die Anbringung neuer Tafeln würde diesen Effekt verwässern.

2013 wurde aus den Interessengruppen erneut ein Komitee gebildet, das sich zukünftig um den Schutz und die Erhaltung des Denkmals kümmern soll.

2021 unterzeichneten knapp 150.000 Menschen eine Petition, in der gefordert wurde, Folajimi Olubunmi-Adewole mit einer Tafel auf dem Denkmal zu ehren. Der Zwanzigjährige war am 24. April desselben Jahres in der Nähe der London Bridge in die Themse gesprungen, um eine ihm unbekannte Einundzwanzigjährige zu retten. Die Frau überlebte, er selbst ertrank.

Die Tafeln

Allgemeine Beschreibung

Insgesamt besteht das Denkmal derzeit (Stand: 2024) aus 54 Tafeln, davon sechs in der zweiten und jeweils 24 in der dritten und vierten Reihe.

Die Größe ist nicht bei allen Tafeln exakt gleich, aber bei den meisten liegt sie bei etwa 30 × 50 cm. Während die ursprünglichen vier Tafeln aus je zwei speziell angefertigten rechteckigen Keramikfliesen bestanden, waren die nächsten Tafeln aus Kostengründen aus kleineren quadratischen Fliesen mit der Standard-Kantenlänge von gut 15 cm zusammengesetzt. Später wurden auch andere Fliesengrößen verwendet.

Auf die einfarbig weißen Fliesen wurden der Text und die Ornamente von Hand aufgemalt, wobei die Farbe bei den alten Tafeln von De Morgan grau-grün, bei den neueren von Royal Doulton eher bläulich-violett ist. Auf jeder Tafel ist neben dem Namen des oder der Verstorbenen und dem Todesdatum eine kurze Schilderung der Todesumstände zu lesen. Außerdem sind die Tafeln mit Ornamenten verziert – diese sind größtenteils eher floraler oder abstrakter Natur, teilweise aber auch thematisch an den jeweiligen Todesfall angelehnt. So sind etwa auf der Tafel für Mary Rogers, eine Stewardess, die 1899 mit der Stella unterging, ein Schiff und ein Anker abgebildet, und auf der neuesten Tafel für den ertrunkenen Leigh Pitt sind mehrere Fische zu sehen.

Auswahl der Namen

Watts fand die Namen vor allem durch Zeitungsmeldungen, in denen über die jeweiligen Unglücksfälle berichtet wurde. Aus dieser Sammlung von Zeitungsausschnitten wählte er dann die 120 Fälle für die Gedenkwand aus. Eine Überprüfung der Meldungen oder auch nur ein Quervergleich mit den Artikeln in anderen Zeitungen fand nicht statt. Dies führte nicht nur dazu, dass in etlichen Fällen auf den Tafeln die Namen von Personen falsch geschrieben oder Daten falsch wiedergegeben wurden – mindestens einer der Unglücksfälle (der von G. Garnish) hat sich mit großer Wahrscheinlichkeit nie ereignet. Die entsprechende Zeitungsmeldung war ein Hoax, was sich schon wenige Tage später herausstellte und was auch in der Zeitung zu lesen war, von Watts aber offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen wurde.

Auf dem Denkmal werden derzeit (Stand: 2024) 62 Personen genannt, davon acht Kinder, neun Frauen und 45 Männer. Unter letzteren befinden sich sechs Polizisten und zwei Feuerwehrmänner.

Der am längsten zurückliegende Todesfall ist der von Sarah Smith, einer Pantomimin im Prince’s Theatre, deren eigenes Kleid 1863 Feuer fing, als sie versuchte, eine Kollegin zu löschen, der letzte der des bereits erwähnten Leigh Pitt. Die jüngste erwähnte Person ist der 8-jährige Henry James Bristow, der 1890 ebenfalls tödliche Verbrennungen erlitt, als er seine kleine Schwester löschte. Die älteste ist mit 61 Jahren Daniel Pemberton, ein Vorarbeiter der London and South Western Railway, der 1903 noch seinen Kollegen aus dem Gleis stieß, dann aber selbst vom Zug erfasst wurde. Die Tafel mit den meisten Namen erinnert an vier Arbeiter eines Abwasserpumpwerks in East Ham, die 1895 bei dem Versuch umgekommen waren, einen Kollegen zu retten (das ist auch die Tafel, die 1930 ersetzt wurde).

Tabellarische Auflistung der einzelnen Tafeln

Mobile App

Im Jahr 2013 wurde eine Mobile App für iOS und Android veröffentlicht. Nutzer der App konnten die Tafeln des Denkmals mit der Kamera ihres Mobiltelefons scannen und erhielten dann weiterführende Informationen über die verstorbene Person und die Umstände ihres Todes. Außerdem konnten mittels einer interaktiven Karte Veranstaltungen und interessante Orte gefunden werden.

Denkmalschutz

Das Memorial to Heroic Self Sacrifice wird in der Denkmalliste als „besonders bedeutendes Bauwerk von allgemeinem Interesse“ (Grade II*) geführt.

Künstlerische Rezeption

Film

In dem 2004 erschienenen Film Hautnah benutzt eine von Natalie Portman gespielte Person drei Jahre lang den Namen Alice Ayres. Erst später entdeckt der von Jude Law gespielte männliche Protagonist, dass sie diesen Namen einer der Gedenktafeln entnommen hatte.

Musik

Der britische Komponist Howard Goodall ließ sich von dem Denkmal zu einem zwölfminütigen Stück für Kammerorchester mit dem Titel The Ordinary Heroes of Postman’s Park inspirieren. Die Uraufführung durch das English Chamber Orchestra unter Andrew Litton fand am 16. Juni 2022 in der Londoner Cadogan Hall statt. Dem Werk ist das bereits oben erwähnte Zitat aus Watts’ Leserbrief an die Times vorangestellt: “The material prosperity of a nation is not an abiding possession: the deeds of its people are”.

Literatur

  • John Price: Postman’s Park: G. F. Watts’s Memorial to Heroic Self-Sacrifice, Watts Gallery, Compton (Surrey) 2008, ISBN 978-0-9561022-1-8.
  • John Price: Heroes of Postman’s Park: Heroic Self-Sacrifice in Victorian London, The History Press, 2015, ISBN 978-0-7509-5643-7.
  • Richard Jones, Adam Wood: Edgar’s Guide to Postman’s Park, Indiana University Press, August 2022, ISBN 978-1-8382342-2-5.

Weblinks

  • Mike Dash: On Heroic Self-Sacrifice: a London Park Devoted to Those Most Worth Remembering im Smithsonian Magazine, 19. März 2012

Einzelnachweise


Plaque at the Memorial To Heroic SelfSacrifice in London, UK Editorial

Information Plaque at the Memorial to Heroic SelfSacrifice located in

Plaque at the Memorial To Heroic SelfSacrifice in London, UK Editorial

Plaque at the Memorial To Heroic SelfSacrifice in London, UK Editorial

Information Plaque at the Memorial to Heroic SelfSacrifice located in